Interregionale Gewerkschaftsräte stellen eine besondere Form der grenzüberschreitenden Kooperation von Gewerkschaften dar. Ein Interregionaler Gewerkschaftsrat (IGR) besteht aus Gewerkschaftsdachverbänden, die in einer Grenzregion aktiv sind, und bieten eine Plattform zur Koordination gemeinsamer Aktivitäten. Dadurch ermöglichen die IGRs eine verstärkte Kooperation der Gewerkschaften aus verschiedenen Ländern und vertreten gleichzeitig die Interessen der Arbeitnehmer:innen innerhalb der jeweiligen Region. In Europa gibt es 46 IGRs, die vom Europäischem Gewerkschaftsbund (EGB) koordiniert werden. In Österreich gibt es insgesamt neun IGRs. Diese treffen sich regelmäßig oder um aktuelle Herausforderungen zu diskutieren. Die Arbeit im IGR ist nicht geregelt - je nach Bedarf wird das Arbeitsprogramm gestaltet.
Der IGR Donau-Moldau ist ein wichtiges Forum für den gewerkschaftlichen Austausch und trifft sich traditionell zweimal im Jahr, einmal in Oberösterreich und einmal in Südböhmen. Diese Treffen bieten den Mitgliedern die Möglichkeit, praktische Einblicke in regionale Betriebe zu gewinnen und aktuelle Themen zu diskutieren. Die Einschränkung der Pandemie zeigten, wie wichtig der persönliche Kontakt war. Ein Beispiel für einen erfolgreichen Austausch ist die Diskussion über Öffnungszeiten im Handel, bei der durch den Dialog ein Umdenken in Tschechien in Richtung einer Reduzierung der Sonntagsöffnungszeiten angestoßen wurde. Ein weiterer wichtiger Austausch findet auch im Bereich der Gesundheitsberufe statt, insbesondere in der Diskussion um Arbeitszeitverkürzungen, deren Umsetzung sich aufgrund des Arbeitskräftemangels als problematisch erweist.
Mechatronik und die Bedürfnisse der Grenzpendler:innen ist ein großes Thema des IGR Kärnten - Friuli, Giulia, Venezia. Täglich pendeln hunderte Menschen zwischen Friaul-Julisch Venetien und Kärnten. Rund 300 von ihnen sind Teil eines wachsenden grenzüberschreitenden Arbeitsmarktes, der seit 2008 kontinuierlich zunimmt. Mehr als 1.400 Menschen aus der Region Friaul-Julisch-Venezien haben sich inzwischen dauerhaft in Kärnten, vor allem in Villach, niedergelassen, angezogen von den Chancen im Mechatronik-Sektor. Im Rahmen von gemeinsamen Veranstaltungen und regelmäßigen Sitzungen werden nicht nur die Herausforderungen für die Arbeitnehmer:innen in dieser Branche und mögliche Lösungen besprochen, sondern auch über die Zukunft der Branche und die Bedürfnisse der Lehrlinge nachgedacht. Bei der letzten Veranstaltung in Tarvisio, Italien, waren auch Lehrlinge aus dem Tourismusbereich in das Catering der Veranstaltung eingebunden. Die Teilnahme der Auszubildenden an dieser und anderen wichtigen institutionellen Veranstaltungen ist eine Erfahrung, die ihre Ausbildung bereichert und vervollständigt.
Ein weiteres Beispiel für aktives Engagement ist der IGRTiSOBa (Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Bayern). Neben regelmäßigen Treffen organisiert dieser IGR auch Aktionen, wie zuletzt die Initiative „LKW-Fahrer“ in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und dessen Programm „Faire Mobilität“. Mit Hilfe einer Pressekonferenz wurde auf die Arbeitsbedingungen der Lkw-Fahrer aufmerksam gemacht. Darüber hinaus wird in Beratungsgesprächen direkte Hilfe bei arbeitsrechtlichen Problemen angeboten. Im Rahmen der letzten Aktion fand auch eine Austauschveranstaltung des IGR statt, an der Thomas Rudner, MdEP, als Gast teilnahm. Er informierte die Kolleg:innen über aktuelle Themen und Diskussionen im Bereich Mobilitätspakt und Verkehrspolitik im Europäischen Parlament. Die Themen waren u.a.:
Führerscheinrichtlinie: In Zukunft soll derLKW-Führerschein ab 17 Jahren möglich sein und der Führerschein Klasse B könnte auf 4,25 Tonnen erweitert werden, um den schwereren E-Autos Rechnung zu tragen. Ab 2035 sollen keine LKW mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden und Schiffe ab 5.000 Tonnen dürfen nur noch mit Strom und nicht mit laufendem Motor in Häfen liegen.
Der IGR Bodensee stellt ein weiteres Beispiel für einen engagierten interregionalen Gewerkschaftsrat dar. Im IGR Bodensee sind die DGB-Bezirke Baden-Württemberg und Bayern, die ÖGB-Landesorganisationen Vorarlberg, verschiedene kantonale Gewerkschaftsbünde aus der Schweiz sowie der Liechtensteinische Arbeitnehmer:innenverband (LANV) zusammengeschlossen. Alle diese Organisationen sind Mitglieder des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) und bekennen sich uneingeschränkt zu den Prinzipien einer freien und demokratischen Gewerkschaftsbewegung. Um dem Arbeits- und Fachkräftemangel wirksam zu begegnen, wurden im Rahmen der Pressetour 2023 u.a. folgende Punkte angesprochen: Erhöhung der Löhne und Gehälter, Erhöhung des Organisationsgrades, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Flexibilisierung der Arbeitszeit, Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, Förderung von Bildung und Ausbildung, Integration von Asylwerber:innen in den Arbeitsmarkt, Förderung qualifizierter Zuwander:innen und der dualen Berufsausbildung sowie die Gestaltung einer alters- und alternsgerechten Arbeitsmarkt- und Unternehmenspolitik und last but not least die Bekämpfung der Schwarzarbeit.
Der IGRs zeigen, wie wichtig der kontinuierliche Austausch und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sind, um gemeinsame Lösungen zu finden und die Arbeitsbedingungen in den beteiligten Ländern zu verbessern. Der IGR ein unverzichtbares Instrument zur Förderung des Dialogs und der Solidarität unter den Gewerkschaften in der Region und die Beteiligten sind sich einig: Der Austausch von Erfahrungen und Perspektiven ist der Schlüssel, um gemeinsam erfolgreiche Strategien zu entwickeln und die Arbeitswelt in der Grenzregion positiv zu gestalten.