(zuerst veröffentlicht in A&W Blog 2023/6)
Soziale und umweltbezogene Risiken entlang der Batterie-Wertschöpfungskette sind insbesondere aufgrund des rapide wachsenden Markts eine große Herausforderung. Eine globale Allianz mit Akteuren aus Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft, Wissenschaft sowie internationalen Organisationen und Regierungsbehörden birgt diesbezüglich Potenzial. Deren Ambitionen sind groß, doch es bleibt abzuwarten, was davon tatsächlich realisiert werden kann. Der folgende Artikel soll eine erste Einschätzung liefern.
Die komplexe Natur von Batterie-Wertschöpfungsketten
Die Batterie gilt als Schlüsseltechnologie für die Energie- und Mobilitätswende und damit für die Erreichung nationaler und internationaler Klimaschutzziele. Sie ist essenziell für die Elektromobilität und ein unverzichtbares Speichermedium für Strom aus erneuerbaren Energiequellen.
Als Baustein für eine strukturelle Transformation wird der Batterie also ein hohes Potenzial zugeschrieben. Doch gleichzeitig birgt ihre verflochtene und fragmentierte Wertschöpfungskette unmittelbare Risiken für Gesellschaft und Umwelt. Die Liste der Probleme ist lang, fängt bei Kinderarbeit und Vertreibung indigener Bevölkerungsgruppen an und hört bei Wasserknappheit, Landdegradation und Korruption nicht auf. Die massiven Kosten der boomenden Batterieherstellung fallen dabei nicht in jenen Ländern an, in denen die Elektrofahrzeuge hauptsächlich verwendet werden, sondern vor allem dort, wo die benötigten Rohstoffe abgebaut werden. So werden beispielsweise in den Kupfer- und Kobaltabbaugebieten der Demokratischen Republik Kongo Kinderarbeit, unsichere Arbeitsbedingungen und gesundheitliche Risiken durch gefährliche Chemikalien dokumentiert. Die Dörfer der Atacama-Wüste in Chile leiden aufgrund des dortigen Lithium-Abbaus unter Wasserknappheit und einem unzureichenden Schutz indigener Rechte.
Die Vielschichtigkeit der Komplexität erfordert gesetzliche Vorschriften und Kooperation
Um diese Risiken einzudämmen, braucht es einen globalen und gemeinschaftlichen Ansatz. Kein Stakeholder allein hat die notwendige Kapazität und Macht, die globale Wertschöpfungskette hin zu mehr Nachhaltigkeit zu transformieren. Vor dem Hintergrund einer hochgradig fragmentierten Wertschöpfungskette, die sich über viele Länder und Kontinente erstreckt und eine Vielzahl an Stufen beinhaltet, ist eine verstärkte Zusammenarbeit notwendig, um sozial und ökologisch nachhaltigere Geschäftspraktiken zu stärken.
Grundlage dieses gemeinschaftlichen Ansatzes muss eine Gesetzeslage sein, die die Unternehmen dazu verpflichtet, negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt in ihrer gesamten Wertschöpfungskette zu identifizieren, abzuschwächen und letztendlich zu beenden. Bei der praktischen Umsetzung entsprechender gesetzlicher Vorschriften können Multi-Stakeholder-Partnerschaften Unterstützung leisten.
Multi-Stakeholder-Partnerschaften als Instrument für nachhaltigere Wertschöpfungsketten
Multi-Stakeholder-Partnerschaften sind eine Form der Kooperation zwischen Akteuren aus dem privaten, öffentlichen, zivilen und/oder wissenschaftlichen Sektor, die einen gewissen Grad an Institutionalisierung aufweist und einen gemeinsamen Zweck verfolgt. In globalen Wertschöpfungsketten können sie ein Instrument sein, um soziale, ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen von unternehmerischen Praktiken zu adressieren und Risiken wie Menschenrechtsverletzungen, Umweltverschmutzung, Kinder- und Zwangsarbeit sowie Korruption einzudämmen.
Die Partnerschaften bringen Vertreter:innen von Unternehmen, NGOs, Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Regierungen zusammen. Weil diverse Stakeholder unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Kenntnisse mitbringen, können Multi-Stakeholder-Partnerschaften Ressourcen bündeln, Herausforderungen ganzheitlich angehen und praktikable, innovative Lösungsansätze entwickeln.
Als Governance-Instrument in globalen Wertschöpfungsketten können Multi-Stakeholder-Partnerschaften unterschiedliche Rollen einnehmen:
- Bereitstellen von Dialog- und Lernplattformen
- Entwickeln von freiwilligen Verhaltensstandards für Unternehmen
- Schaffen von Mechanismen zur Prüfung und Einhaltung von Regeln
- Vergabe von Labels und Zertifizierungen
Multi-Stakeholder-Ansätze sind jedoch in der Praxis und in der wissenschaftlichen Literatur nicht unumstritten. Sie gelten häufig als zeit- und ressourcenaufwändig, erfordern ein hohes Maß an Engagement und Selbstverpflichtung der beteiligten Akteure, sind nur eingeschränkt fähig, schnelle und wirksame Lösungen zu liefern, und gelten als Instrument ohne Erfolgsgarantie. Darüber hinaus werden sie häufig aufgrund ihrer Exklusivität wichtiger betroffener Stakeholder und ihrer fehlenden Transparenz kritisiert.
Über 140 Stakeholder in der Global Battery Alliance
Die GBA wurde 2017 auf dem Weltwirtschaftsforum gegründet und hat sich seitdem zur weltweit größten Partnerschaft im Bereich der Batterie-Wertschöpfungskette entwickelt.
Als Multi-Stakeholder-Partnerschaft bringt sie über 140 Interessengruppen entlang der globalen Batterie-Wertschöpfungskette zusammen – von Rohstoffabbau und -verarbeitung über die Produktion von Modulen und Zellen bis hin zur eigentlichen Batterieherstellung und -verwendung sowie dem Recycling/Re-Use. Die beteiligten Stakeholder repräsentieren den privaten, öffentlichen, zivilen und wissenschaftlichen Bereich. Neben Industriegiganten wie BASF, Glencore oder CATL sind so beispielsweise auch internationale Organisationen und NGOs, die globale Gewerkschaftsföderation IndustriAll sowie Hochschulen und Forschungsinstitute vertreten.
Die Aktivitäten der Multi-Stakeholder-Allianz basieren auf gemeinsam entwickelten Leitprinzipien, die sich auf drei Säulen beziehen:
- Aufbau einer zirkulären Wertschöpfungskette für Batterien
- Aufbau einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, Schaffung neuer Arbeitsplätze und zusätzlicher wirtschaftlicher Wertschöpfung
- Wahrung der Menschenrechte und wirtschaftliche Entwicklung im Einklang mit den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen
Ein Produktpass verbindet Stakeholder und soll Transparenz in der Wertschöpfungskette schaffen
Über drei Jahre hinweg entwickelte die Global Battery Alliance den Prototyp eines digitalen Batteriepasses. Er soll technische Informationen, Herkunftsdaten sowie Angaben zur Nachhaltigkeit für jede einzelne physische Batterie beinhalten. Hierfür sollen Daten entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette gesammelt und aggregiert werden.
Mit dem Batteriepass werden drei Ziele verfolgt:
- Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette für alle relevanten Interessengruppen
- Benchmarking durch Festlegung von Mindeststandards für nachhaltige und verantwortungsvolle Batterien
- Validierung und Verfolgung der Fortschritte zu einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Batterie
Die Nachhaltigkeitsindikatoren des Batteriepasses beruhen auf drei Regelwerken (Greenhouse Gas Rulebook, Child Labour Index und Human Rights Index), die unter Einbindung von Stakeholdern aus dem privaten, öffentlichen und zivilen Sektor erarbeitet wurden. Was derzeit noch auf Freiwilligkeit und Selbstauskunft beruht, soll zu einem späteren Zeitpunkt Voraussetzung für den Erhalt eines entsprechenden Gütesiegels werden.
Die Bemühungen um einen Batteriepass stehen im Einklang mit der neuen EU-Batterieverordnung, die digitale Batteriepässe für Industriebatterien mit einer Kapazität von mehr als 2 kWh und für Elektrofahrzeugbatterien zur Pflicht macht. Wenngleich die Global Battery Alliance die neuen Kennzeichnungs- und Informationsanforderungen auf EU-Ebene berücksichtigt, will sie eine global anwendbare Lösung schaffen, die über regionale regulatorische Anforderungen hinausgeht.
Die Global Battery Alliance, eine Partnerschaft mit Potenzial …
Die Flagship-Initiative zeigt sowohl die Bereitschaft der Industrie, standardisierte Ansätze zu übernehmen, als auch die Machbarkeit des Konzepts eines digitalen Produktpasses. Mit einer gemeinsamen Vision und der Einbindung unterschiedlichster Stakeholder bei der Entwicklung von Standards und Regeln wird nicht nur Vertrauen, sondern auch Legitimität und Akzeptanz von Entscheidungen und Maßnahmen geschaffen.
Der digitale Produktpass der Global Battery Alliance und die Partnerschaft selbst sind ein wichtiger Schritt, um die Zusammenarbeit entlang der Batterie-Wertschöpfungskette zu stärken und die Nachhaltigkeit und Transparenz in der Batterieindustrie zu verbessern. Die Allianz kann dabei unterstützen, die gesetzlichen Anforderungen umzusetzen, darüber hinausgehende, ambitioniertere Standards zu verbreiten, und für eine entsprechende Verschärfung des Gesetzesrahmens plädieren.
Aufgrund der mangelnden empirischen Auseinandersetzung ist die tatsächliche Wirkkraft der Global Battery Alliance bisher nicht ersichtlich. Entsprechend braucht es eine kritische Auseinandersetzung und die Bewertung ihrer Wirkung auf Stakeholder-, Länder und globaler Ebene.
… und Grenzen sowie eigenen Risiken
Trotz der Vielzahl an beteiligten Stakeholdern schafft es die Allianz nicht, ausreichend verschiedene Interessengruppen einzubinden. Insbesondere lokale Gemeinschaften, Zivilgesellschaft, Umweltschutzorganisationen sowie kleine und mittlere Unternehmen sind stark unterrepräsentiert. Stattdessen umfasst die Partnerschaft viele Industriegiganten, was das Risiko birgt, dass es zu einer weiteren Konzentration von Macht kommt und kleinere Unternehmen sowie alternative Lösungsansätze in den Hintergrund gedrängt werden. Eine ausreichende Berücksichtigung der Bedürfnisse und Sorgen derjenigen, die am stärksten von den Auswirkungen der Batterieproduktion betroffen sind, ist zudem nicht gewährleistet.
Darüber hinaus ist die mangelnde Transparenz der Global Battery Alliance in Bezug auf ihre Aktivitäten, Finanzierung und Entscheidungsprozesse zu kritisieren. Hierfür bedarf es einer verbesserten Berichterstattung und klarer Mechanismen für die Rechenschaftspflicht gegenüber Stakeholdern. Denn damit eine Partnerschaft Legitimität hat, braucht es nicht nur die Einbeziehung vielseitiger Stakeholder und eine konsensuale Ausrichtung, sondern auch Fairness und Transparenz der internen Strukturen und Prozesse (Input-Legitimität).
Abzuwarten bleibt, welche Reichweite und Wirksamkeit die von der Global Battery Alliance entwickelten Lösungsansätze mit sich bringen. Ungeachtet der Frage, ob die auf Freiwilligkeit beruhenden Regeln ausreichend sind, um eine tatsächliche Transformation der Batterie-Wertschöpfungskette durchzusetzen, braucht es zudem Mechanismen zur Durchsetzung und Überwachung der selbst gesetzten Regeln (Output-Legitimität).
Quelle: Mena and Palazzo (2012)
Fazit
Trotz ihrer ehrgeizigen Ziele und erster kleinerer Erfolge bleibt abzuwarten, ob die Partnerschaft nicht nur eine Plattform für Ankündigungen bleibt, sondern auch tatsächlich dort Wirkung entfalten kann, wo die sozialen und ökologischen Kosten der Batterieproduktion anfallen. Es bedarf weiterer Auseinandersetzung, die die Global Battery Alliance zum Gegenstand kritischer Analysen macht und diese hinsichtlich ihrer Input- und Output-Legitimität bewertet.
Unabhängig von der Notwendigkeit, die Batterie-Wertschöpfungskette nachhaltiger zu gestalten, bleibt es für die Mobilitätswende dringlich, über den Technologie-Fokus hinauszudenken und neben der Transportverbesserung Bemühungen zur Transportverlagerung und Transportvermeidung zu intensivieren.