Saubere Baustellen – keine „Schmutzkonkurrenz“ zulassen
Die Zahlen bei Entsendungen und Angeboten von billigen Freiberuflern aus dem Ausland gehen wieder nach oben. Seriöse Firmen und ihre Beschäftigten werden damit massiv geschädigt. Österreich ist dabei Zielland Nr 1. Die Politik muss das Problem endlich erkennen und ernsthaft bekämpfen.
Zwei Jahre Pandemie, vier Monate Ukraine-Krieg sind Auslöser für die nächste Krise am europäischen Arbeitsmarkt. Die ArbeitnehmerInnen spüren die Rekordteuerung und steigende Konkurrenz durch billigere Arbeitskräfte. Die Teuerung von Rohstoffen und Energie sowie Lieferengpässe führen zu Verzögerungen und Preisanstiegen. Umsatzrückgänge bei Unternehmen verschärfen den Wettbewerb und führen zu einem Preiskampf, der über die Lohnkosten ausgetragen wird. Das organisierte Lohn- und Preisdumping auf selbständiger und unselbständiger Ebene steigt an.
Unseriöse Dumpingangebote von angeblichen „Einzelmeistern“ an Bauunternehmen und Private nehmen zu. Vermittler aus Tschechien, der Slowakei und Ungarn legen Angebote, die deutlich unter dem Bruttomittellohnpreis liegen. Diese betragen je nach „Meisterbezeichnung“ zwischen 22 und 35 Euro die Stunde. Die Folgen: Weiterer Fachkräftemangel, Dumpingpreise, mit denen seriöse Unternehmen nicht mithalten können, sowie ein verstärkter Wertschöpfungsabfluss ins Ausland.
„Durch die Überhitzung des Baumarktes und den Facharbeitermangel kommt es derzeit zu monatelangen Wartezeiten und Kapazitätsproblemen. Dadurch lassen sich Private, aber auch Firmen verleiten, unseriöse Angebote anzunehmen. Seriös anbietende Baufirmen können und wollen da nicht mitmachen. Die immer frecher werdenden Sozialbetrugsversuche gefährden österreichische Unternehmen und Beschäftigte“, erklärt Dipl. Ing. Alexander Safferthal, Spartenobmann Gewerbe und Handwerk und Vizepräsident im Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (SWV).
„Der Wettbewerb nach unten ufert aus. Jetzt ist die EU gefordert. Wir haben es mit einem Bündel an unseriösen Betrugsmaschen zu tun, deren Ausgangspunkte in anderen EU-Ländern liegen. Die Regierung darf da nicht länger zuschauen“, bekräftigt Abg.z.NR Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH). Muchitsch verweist auch darauf, dass eine Beschwerde von internationalen Gewerkschafts- und Arbeitgeberverbänden gegen unseriöse Sozialversicherungspraktiken aus Slowenien bereits seit 2019 (!) vorliegt und nicht entschieden wird.
Wir sind Zielland Nr. 1 bei Entsendungen
Rund 9,6 Prozent der Entsendungen in Europa entfallen auf Österreich, das damit das Top-Zielland in der EU ist. Slowenien ist das führende Entsendeland nach Österreich im Bausektor und Einfallstor für Entsendungen aus dem Westbalkan. 35 Prozent aller ArbeitnehmerInnen, die von Jänner bis April 2022 an die österreichische Bauwirtschaft entsendet wurden, stammen aus slowenischen Unternehmen. Die meisten Verdachtsfälle auf Unterentlohnung gibt es bei slowenischen Entsendeunternehmen (36 Prozent von Jänner bis April 2022). Mit der Ukrainekrise nimmt das zu. Slowenien schleust Nicht-EU-BürgerInnen nach Europa. 73 Prozent der entsendeten ArbeitnehmerInnen aus Slowenien kommen aus Drittländern, ohne in Slowenien gearbeitet zu haben. Oft handelt es sich um Beschäftigte von Briefkastenfirmen.
Muchitsch: „Das ist ein Skandal und widerspricht der EU-Entsenderichtlinie. Leider gibt es dagegen derzeit keine Sanktionsmöglichkeiten. Wenn es um die Anliegen der ArbeitnehmerInnen geht, schauen unsere Regierung und Brüssel weg. Kontrollen sind nett, aber die Sanktionen enden an der Staatsgrenze. Wir brauchen Regeln, welche Sozialbetrug vorweg verhindern, anstatt dann den verursachten Schaden zu beklagen und den verhängten Strafen hinterher zu laufen.“
Schulterschluss von Wirtschaft und Gewerkschaft
GBH und SWV werden deshalb bei der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping enger zusammenarbeiten. Wichtiges Ziel ist es, bei allen relevanten Institutionen Bewusstsein für die massive Problemlage zu schaffen.
Ein weiteres vordringliches Problem liegt in der unmöglichen grenzüberschreitenden Vollstreckung von Strafen wegen Unterentlohnung. Das hat Muchitsch letzte Woche bei der Europäischen Arbeitsbehörde ELA deponiert. Auch bei verschiedenen EU- Institutionen konnte der Baugewerkschafter zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping in Brüssel vorsprechen.
Der SWV wird das Thema Lohn- und Sozialdumping diese Woche in der Wirtschaftskammer Österreich einbringen und Maßnahmen einfordern.
„Lohn- und Sozialdumping sind kein Nebenthema, sondern wird in Krisenzeiten zu einem enormen Problem. Korrekt arbeitende Unternehmen und tausende Arbeitsplätze in Österreich sind gefährdet. Wer solche Angebote annimmt, schädigt nicht nur die österreichische Wirtschaft, sondern auch sich selbst mit häufig mangelnder Qualität bei Ausführung und Gewährleistung. Wir appellieren an die Auftraggeber, genau zu überlegen, wem sie ihre Aufträge geben. Und wir fordern von der Politik in Österreich und der EU, dieses Thema ernsthaft anzugehen, statt Gesetze aufzuweichen und Beschwerden in Schubladen verschwinden zu lassen. Scheinselbständigkeit, Lohndumping und Sozialbetrug dürfen in der EU keine Vorteile bringen!“, so Muchitsch und Safferthal abschließend.